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Jede Form ist das erstarrte Momentbild eines Prozesses.
Also ist das Werk Haltestelle des Werdens,
und nicht erstarrtes Ziel“. (El Lissitzky)


Saubere Sache

Seifeninstallationen, Seifenobjekte und Pneumatische Skulpturen von Renate Hampke

Seife ist ein Objekt des täglichen Gebrauchs. Kann Kunst von Kernseife kommen? Warum sollte sie nicht, wo doch Träume Schäume sind! Seife als alltägliches, ‘armes’ Material im Sinne der Arte Povera, Ausgangsmaterial für Rauminstallationen und Objekte: bei Renate Hampke wird sie zu einem ganz besonderen Kunststoff.


Relikte der Reinlichkeit

Seit zwanzig Jahren sammelt die Berliner Künstlerin kontinuierlich Seife und arbeitet mit ihr. Renate Hampke wäscht sich ihre Hände nicht in Unschuld. Die Seifenstücke haben ihre Unschuld längst verloren. Es sind Stücke benutzter Seife, abgewaschen und von Gebrauchsspuren gezeichnet, verbraucht: bis auf eben diese letzten, kleinen Reste, die von ihren ehemaligen Benutzerinnen und Benutzern künden. Freunde, Bekannte, Ausstellungsbesucher haben diese Relikte eines profanen Reinigungsrituals, des individuellen Hautkontakts für Renate Hampke gesammelt. “Sie nehmen dadurch Anteil am Entstehungsprozeß des Kunstwerks, leisten dazu einen Beitrag und werden mittelbar zu einem Teil von ihm. Menschen aus den verschiedensten, geographisch weit voneinander entfernten Ländern der Erde sind mit ihrer persönlichen Seifenspende an diesem Langzeitprojekt beteiligt. Eine Tafel dokumentiert sie mit Namen, Zeit und Ort. Diese Tafel ist stets Teil einer jeden Ausstellung. Der Aspekt des „Dialogs“, der Kommunikation ist dabei für Renate Hampke von grundlegender Bedeutung. Mit ihrem Seifenprojekt knüpft sie ein Kontaktnetzwerk, das sie über den gesamten Globus spannt.


Renate Hampke rückt bei ihren stets auf den vorgefunden Ort und seine Gegebenheiten bezogenen Seifeninstallationen und den Inszenierungen ihrer Seifenobjekten das Haptische ins Visuelle. Die Seifenreste selbst - Renate Hampke bezeichnet sie als „Intime Reste, an Haut dezimiert“ - sind für die Künstlerin dabei sakrosant. Ihre Formen bleiben bei allen Rauminstallationen, Einzelobjekten und Objektinszenierungen als Zeugnisse gelebten Daseins unangetastet. Statt dessen werden die Seifenreste in einem völlig neuen, vielfach überraschenden Kontext gestellt. „Etwas entschwindet. Etwas kommt neu hinzu. Etwas prägt sich ein“, sagt Renate Hampke. Manchmal muß das Runde auch ins Eckige. Die griffig rundgewaschenen Zeugnisse verlebter Zeit, von Lebenszeit wandern in kantige Rechtecke, die ebenfalls aus Seife bestehen. Es handelt sich um die maschinell ausgestanzten Reste industrieller Seifenfertigung aus der Fertigungsstrasse eines Seifenherstellers, die nun für die Rahmenhandlung der Sammelstücke sorgen.


Nicht auf dem Schlauch stehen

Die Kunst von Renate Hampke hat Hand und Fuß. Seit neustem arbeitet sie auch mit Fahrradschläuchen. Die Luft ist raus. Das Material ist be- und abgenutzt, hat seinen Zweck erfüllt, wird zum Indiz abgefahrener Wegstrecken und dabei verstrichener Zeit. Die Form will ihren Weg gehen, wie ihr Material. Noch einmal steuert das Schlauchmaterial nach seinem Ableben als Behältnis für komprimierte Luft nun im Kunstkontext auf die Überholspur. Wenn die geometrischen und materiellen Vorbedingungen mit den Funktionen und Gegebenheiten des Raums bei einer Installation in Einklang gebracht sind, ist das Werk vollbracht. Struktur und Wandel, Form als Prozess sind auch hier die Grundzüge ihrer Kunst. Greifen und Begreifen bedingen einander. Es gilt, ein selbst vorgegebenes Problem zu lösen. Die Bedingungen ergeben sich dabei aus der Geometrie, der verschlungenen, gefalteten, gestapelten, aufgehängten Form im Zusammenspiel mit dem Raum – sie werden zu signifikanten Raumzeichen und Raumzeichnungen. Die vorgeschlagenen Lösungen sollen bei aller Schlichtheit größtmögliche Prägnanz der Präsenz aufweisen. Fahrradschlauch stehen für Mobilität, Dynamik und ist ein Material mit ganz eigenen, oft verkannten ästhetischen Qualitäten. Neben seiner interessanten Haptik, die Renate Hampke an Haut erinnert – glatt und dabei griffig, weich und formbar, aber auch äußerst strapazierfähig – fasziniert sie auch die Variationsbreite seiner ‘schwarzen’ Farbigkeit, die je nach Gummimischung, Alterung, Verfärbung durch Kontakt mit Rost, anhaftendem Talkum, Flickstellen als Zeugnisse der verletzenden Begegnung mit scharfkantigen Hindernissen und unwegsamen Strecken von Tiefschwarz über Braunschwarz bis zu Hellgrau reichen kann. Hinzu kommen Prägungen, Aufdrucke oder farbige Ventile, die Renate Hampke virtuos in die Gestaltung ihrer Skulpturen einbezieht. Zudem besitzt der vulkanisierte Kautschuk seinen ganz eigene, intensiven Geruch. Eine olfaktorische Qualität, die sie schätzt.


Dauerhaftes und Vergängliches, Geplantes und Zufälliges, Natürliches und Synthetisches, Starres und Formbares trifft bei Renate Hampke aufeinander. Häufig arbeitet sie in Serie. Eins ergibt sich aus den anderen. Für die Künstlerin gilt, das Wesentliche einzukreisen, zum Kern der Dinge vorzudringen.


Elfi Kreis